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Risikomanagement in Bauprojekten: Ein umfassender Leitfaden

  • kiusansan
  • 26. Sept. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Mai

Einleitung

Bauprojekte sind komplexe, interdisziplinäre Vorhaben mit zahlreichen Unsicherheiten. Von der Planung über die Ausführung bis hin zur Abnahme können unvorhergesehene Ereignisse den Zeitplan, das Budget oder die Qualität gefährden. Ein systematisches Risikomanagement ist daher essenziell, um die Erfolgschancen von Bauprojekten zu erhöhen. In diesem Beitrag wird ein wissenschaftlich fundierter und praxisorientierter Leitfaden zum Risikomanagement in Bauprojekten vorgestellt.



1. Was ist Risikomanagement?


Laut DIN EN ISO 31000:2018 ist Risikomanagement ein „koordinierter Tätigkeitsbereich zur Lenkung und Steuerung einer Organisation in Bezug auf Risiken“. Ein Risiko ist dabei definiert als die Auswirkung von Unsicherheit auf Ziele. Im Bauwesen bedeutet das: Risiken können sowohl negative (Bedrohungen) als auch positive (Chancen) Auswirkungen auf Projektziele haben.





2. Besondere Herausforderungen im Bauwesen


Bauprojekte unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von anderen Projektarten:


  • Einmaligkeit und Standortabhängigkeit

  • Hohe Anzahl an Beteiligten (Planer, Bauherren, Auftragnehmer, Behörden)

  • Lange Laufzeiten mit hoher Unsicherheit

  • Wetter- und Bodenrisiken

  • Technologische und regulatorische Komplexität

  • Vertragsstrukturen mit Konfliktpotenzial (z. B. VOB/B)


Diese Faktoren erhöhen das Risikopotenzial erheblich und machen ein strukturiertes Risikomanagement unverzichtbar.



3. Der Risikomanagementprozess


Ein effektives Risikomanagement besteht typischerweise aus fünf Phasen (vgl. PMI, ISO 31000, DIN SPEC 1041):


3.1. Risikoidentifikation


Ziel: Alle potenziellen Risiken systematisch erfassen.


Methoden:

  • Brainstorming / Experteninterviews

  • Checklisten (z. B. nach VDI 6202)

  • SWOT-Analyse

  • Lessons Learned aus vorherigen Projekten

  • Projektstrukturplan-Analyse


Beispiele:

  • Bodenverunreinigung

  • Lieferengpässe

  • Fachkräftemangel

  • Widersprüchliche Planungsunterlagen



3.2. Risikoanalyse


Ziel: Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen quantifizieren.


Quantitative Ansätze:

  • Risikomatrix (klassisch: 3x3 oder 5x5)

  • Monte-Carlo-Simulation (bei komplexen Projekten)

  • Szenarioanalyse


Kriterien:

  • Kosten

  • Termin

  • Qualität

  • Sicherheit


3.3. Risikobewertung


Ziel: Priorisierung der Risiken nach Kritikalität.


Beispielhafte Bewertungsskala:

Risiko

Eintrittswahrscheinlichkeit

Auswirkung

Risikowert (PxA)

Baugrundproblem

Hoch

Hoch

Sehr hoch

Wetterrisiko

Mittel

Mittel

Mittel

Lieferverzug Fenster

Hoch

Niedrig

Mittel

3.4. Risikobewältigung


Ziel: Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen.


Strategien:


  • Vermeidung: Planung ändern, um Risiko auszuschließen

  • Verminderung: technische oder organisatorische Maßnahmen

  • Überwälzung: Versicherung, Vertragsklauseln (z. B. Pauschalpreis)

  • Akzeptanz: bei geringen Risiken mit Reservebildung





Beispiel: Wetterrisiko → Pufferzeiten in Bauzeitenplan integrieren, Schutzmaßnahmen vorsehen.


3.5. Risikoüberwachung und -kommunikation


Ziel: Fortlaufende Kontrolle und Anpassung.


  • Regelmäßige Risikoreviews

  • Ampelberichte / Dashboards

  • Dokumentation in Risikolog (Risikoregister)

  • Integration ins Projektcontrolling


4. Tools und Softwarelösungen


Gängige Werkzeuge:


  • MS Excel / Power BI (für einfache Matrizen und Visualisierungen)

  • Oracle Primavera Risk Analysis

  • @Risk (für Monte-Carlo-Simulationen)

  • BIM-gestützte Risikomodelle (z. B. für Bauphasenvisualisierung)

  • Project Management Information Systems (z. B. Procore, Thinkproject)


5. Rechtliche und vertragliche Aspekte


Verträge im Bauwesen (z. B. nach VOB/B oder FIDIC) enthalten oft Regelungen zum Umgang mit Risiken:


  • Höhere Gewalt (§6 VOB/B)

  • Nachträge (§2 VOB/B)

  • Mitwirkungspflichten des Auftraggebers

  • Sicherheitsleistungen


Ein gutes Risikomanagementsystem hilft, Streitigkeiten zu vermeiden und Nachträge transparent zu begründen.


6. Praxisbeispiele


Beispiel 1: Neubau eines Bürogebäudes

Risiko: Verunreinigter Baugrund

Maßnahme: Frühzeitige Baugrunduntersuchung, Vertragsklausel zur Kostenübernahme


Beispiel 2: Bahnhofsmodernisierung bei laufendem Betrieb

Risiko: Bauverzögerung durch unklare Schnittstellen

Maßnahme: Wöchentliche Risikoabstimmungen mit Bauherr und Bahn, zentrale Risikoakte


7. Erfolgsfaktoren


  • Frühzeitige Integration in die Projektplanung

  • Klare Verantwortlichkeiten (z. B. Risikomanager/in)

  • Laufende Aktualisierung

  • Sensibilisierung aller Projektbeteiligten

  • Kombination aus Erfahrungswissen und datenbasierter Analyse





8. Fazit


Risikomanagement ist kein „Add-on“, sondern ein integraler Bestandteil erfolgreicher Bauprojekte. Es bietet die Chance, Projekte resilienter, effizienter und letztlich erfolgreicher zu machen. Ein strukturiertes Vorgehen nach anerkannten Standards wie ISO 31000 oder PMI verbessert nicht nur die Steuerung von Unsicherheiten, sondern erhöht auch das Vertrauen der Stakeholder – vom Bauherrn bis zur Bauaufsicht.



Quellen und Literatur


  • DIN EN ISO 31000:2018 – Risikomanagement – Leitlinien

  • PMI PMBOK® Guide – 7. Edition

  • DIN SPEC 1041:2010 – Risikomanagement im Bauwesen

  • VDI-Richtlinie 6202 – Risikomanagement bei Bauprojekten

  • Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Leitfaden Projektmanagement


 
 
 

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